Fast wird Patrick Mahomes zum tragischen Helden dieses Super Bowls. Der Quarterback der Kansas City Chiefs humpelt verletzt vom Feld, beweist aber Helden-Qualitäten. Ist er nun gut genug für eine neue NFL-Dynastie?
Ist jetzt alles aus? Kurz vor Ende der ersten Hälfte stockt den Fans der Kansas City Chiefs der Atem. Vielleicht gefriert auch das Blut in den Adern. Wer weiß das schon genau, es ist auch nicht wichtig. Wichtig ist, dass in diesem Moment in Glendale, Arizona, der vielleicht talentierteste Quarterback aller Zeiten, Patrick Mahomes, vom Feld humpelt und seinen Anhängern angst und bange wird. Denn ihr Team liegt zur Pause mit 14:24 hinten und nun ist auch noch der Knöchel der Chiefs-Nation kaputt.
Wieder kaputt, sollte man sagen. Mahomes hat schon im ersten Playoff-Spiel gegen die Jacksonville Jaguars eine schwere Knöchelverletzung erlitten. Eine Verletzung, mit der Normalsterbliche mehrere Wochen überhaupt kein Sport treiben sollten. Doch der 27-Jährige spielte direkt in der nächsten Partie mit dick bandagiertem Knöchel und schlug seine Rivalen aus Cincinnati. Jetzt liegt er erst auf dem Rasen nach einem Tackle in die Beine und hinkt anschließend vom Feld. Der Backup-Quarterback der Chiefs macht sich direkt an der Seitenlinie warm.
Doch nichts ist aus. Nicht mit Comeback-König Patrick Mahomes, der direkt im ersten Spielzug nach der Pause durch die gegnerischen Reihen tanzt und spurtet. Der größtmögliche Schock für die Chiefs bleibt aus. Vielmehr scheint die Schrecksekunde die gesamte Mannschaft aus Kansas City angespornt zu haben. Der doch nicht eingetretene Knöchel-Kollaps sorgt in der Pause für einen Umschwung – und anschließend für ein Offensivspektakel samt erfolgreichem Comeback.
Er macht einfach keine Fehler
Wer Mahomes den Fuß massiert hat, wer ihm die Bandagen fachgerecht um den Knöchel gelegt hat, wer ihm wie viele Schmerzmittel verabreicht hat: All das ist nicht bekannt, aber kaum ist der Quarterback in der zweiten Halbzeit auf dem Rasen, legt er los wie – um der Wüste rund um das State Farm Stadion, dessen Design an Kakteen und eine gewundene Schlange erinnern soll, die Ehre zu erweisen – von der Klapperschlange gebissen.
Angriff, Touchdown. Angriff, Touchdown. Angriff, Touchdown. Mit drei Spielzügen in Folge mit jeweils sieben Punkten führt Mahomes seine Jungs erst wieder an die Eagles heran und schließlich an ihnen vorbei. Der Quarterback zeigt diesmal nicht die ganz spektakulären, tiefen Würfe. Das übernimmt sein Gegenüber Jalen Hurts, der ebenfalls groß aufspielt. Aber Mahomes verteilt die Bälle unglaublich gekonnt und souverän, streut viele erfolgreiche Laufspielzüge ein und macht vor allem keinen einzigen Fehler. 21 von 27 Pässen bringt er an, wirft 182 Yards und drei Touchdowns. Bärenstark!
Und er zeigt insbesondere mal wieder seine Führungsqualitäten. Denn Comeback, das können sie in Kansas City. Beim ersten Titelgewinn von Mahomes und Trainer Andy Reid 2020 wurden die Chiefs das erste Team überhaupt, das auf dem Weg zur Meisterschaft dreimal nacheinander trotz zweistelligen Rückständen gewinnt. Diesmal überwinden sie einen Rückstand von zehn Punkten und den Verletzungsschock. Die Schrecksekunde, die am Ende das Comeback krönt, nachdem sie zunächst das bittere Ende einzuläuten scheint.
Ein Rekord nach dem anderen
Mahomes, der nun nicht nur die Trophäe des wertvollsten Spielers der Saison, sondern auch des Super Bowls in der Tasche hat, zeigt wieder einmal, dass er auf der großen Bühne stets über sich hinauswachsen kann. Dass er das Sieger-Gen der ganz Großen besitzt. Dass er gemacht ist für Show, aber eben auch für den absoluten Erfolg. In diesem Jahr absolviert er seine zweite 5000-Yard-Saison in seiner Karriere und führt die NFL bei den Touchdown-Pässen mit 41 an. Noch nie hatte ein Spieler in der gleichen Saison die Liga bei den Passing Yards angeführt und den Super Bowl gewonnen. Mahomes schreibt in Glendale Geschichte, weil ihm beides gelingt.
Neben dem in Rente gegangenen Über-Quarterback Tom Brady ist der Spielmacher der Chiefs der Einzige, der in den ersten sechs Spielzeiten in drei Super Bowls als Starter auf dem Feld stand. Außerdem hat er schon jetzt die meisten Playoff-Touchdown-Pässe (35) und Passing-Yards (4084) eines Quarterbacks vor seinem 30. Geburtstag erzielt. Es dürften in den nächsten Jahren noch einige hinzukommen.
Denn die Chiefs und Mahomes arbeiten eifrig daran, eine wahre Dynastie aufzubauen. Natürlich kommen sie an Brady mit den New England Patriots (noch) nicht heran, aber zwei Titel in vier Jahren und fünf Auftritte im Finale der AFC-Championship in Serie sind ein guter Beginn für einer Herrschaft. Besonders, weil Reid und sein Team die Mannschaft seit der Pleite im Super Bowl gegen Tampa Bay 2021 kontinuierlich clever verbessern.
Mahomes tanzt in die Richtung von Tom Brady
Natürlich ist die Konkurrenz mit Hurts und vielen anderen jungen und starken Quarterbacks groß. Aber Mahomes zeigt in diesem Super Bowl wieder einmal, warum er noch ein Stückchen besser ist als all die anderen. Wie er auch der besten Defensive der gesamten NFL mit kaputtem Knöchel 38 Punkte einschenken kann.
Wie Mahomes in der zweiten Halbzeit seine Verletzung überwindet, mag manchen an das mittlerweile ikonische „Flu-Game“ von Michael Jordan erinnert haben. Als die grippegeschwächte Basketball-Legende im fünften Spiel der NBA Finals 1997 seine Chicago Bulls zu einem Sieg gegen die Utah Jazz führte. Es sind solche Geschichten, die in den USA die größten Schlagzeilen machen. An die sich noch in Jahrzehnten die Menschen erinnern. Die Legenden schreiben. Helden hervorbringen.
Und so tanzt ein angeschlagener Patrick Mahomes im Super Bowl LVII nicht nur durch die Reihen der Philadelphia Eagles. Er schreibt auch Schritt für Schritt seine eigene Legende. Bradys sieben Ringe mögen möglicherweise nie wieder erreicht werden. Aber an zweiter Stelle stehen Terry Bradshaw und Joe Montana mit jeweils vier Super-Bowl-Siegen. Und dass nach diesem Comeback-Erfolg ein fitter Mahomes, der wahrscheinlich talentierteste Werfer der NFL-Geschichte, gut und gerne in diese Sphären aufsteigen könnte, glauben nicht nur die Fans der Chiefs.








