Der BVB zeigt Chelsea, worum es im Fußball geht

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Im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League schlägt Borussia Dortmund den geldspuckenden Premier-League-Klub FC Chelsea. Nationalspieler Karim Adeyemi trifft nach einem Lauf über beinahe das gesamte Spielfeld. Der BVB ist plötzliche eine Mannschaft und spielt sogar mit einem Mann mehr.

Was für ein Lauf. Der schnellste Spieler der Fußball-Bundesliga schaute nicht zurück. Nach einer Ecke des FC Chelsea erhielt Karim Adeyemi den Ball tief in der eigenen Hälfte und rannte los, immer weiter, über 60 Meter, vielleicht sogar 80, umkurvte erst den letzten Spieler des Londoner Klubs und dann den Keeper. Der deutsche Nationalspieler schob freistehend aus spitzem Winkel ein. Das Westfalenstadion eskalierte, der BVB-Stürmer machte einen Salto und Borussia Dortmund führte in der 63. Minute mit 1:0 im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League. Dabei sollte es bleiben.

Eine gute Ausgangsposition für das Rückspiel in drei Wochen. Der BVB stürzt die in der Winterpause mit über 300 Millionen Euro aufgefrischten Blues tiefer in die Krise und muss nun darauf hoffen, dass sich bis zum 7. März (21 Uhr/Amazon Prime Video und im ntv.de-Liveticker) daran wenig ändert. Im Dortmunder Westfalenstadion besiegte eine Einheit eine willkürliche Ansammlung von Stars.

Das 1:0 war dabei eine Szene mit Symbolkraft. Hier der bereits abgeschriebene Jungstar, der irgendwie auf den WM-Zug aufgesprungen war und dort der WM-Held Argentiniens, der erst vor wenigen Wochen von Benfica Lissabon nach England gewechselt war. Adeyemi überrannte ihn einfach, hielt sich nicht lange auf mit Enzo Fernández und Adeyemi überrannte auch Torhüter Kepa Arrizabalaga. Der war 2018 für unglaubliche 80 Millionen Euro von Athletic Bilbao an die Stamford Bridge gewechselt und stand nun nur im Tor, weil sein Konkurrent, Edouard Mendy, einfach nicht mehr auf die Beine kommt.

BVB-Matchwinner Karim Adeyemi (r) jubelte nach seinem Treffer mit einem Salto.BVB-Matchwinner Karim Adeyemi (r) jubelte nach seinem Treffer mit einem Salto.
Fußball15.02.23

Can rettet für BVB auf der LinieAdeyemis Turbo triumphiert über Kaufrausch-Chelsea

„Als Chelsea 120 Millionen Euro für Enzo Fernández ausgab, geschah das sicher nicht wegen seiner Fähigkeiten als Ein-Mann-Restverteidigung“, kommentierte „The Independent“. „Dort stand der teuerste Neuzugang, den ein englischer Verein je getätigt hat. Und da war Karim Adeyemi, der an ihm vorbeirauschte, vielleicht das nächste Beispiel für die kluge Personalauswahl, mit der Dortmund seit Jahren unauslöschlich verbunden ist.“ Dass in dieser Saison noch einmal solche Worte über Borussia Dortmund und Adeyemi geschrieben werden würden, war lange nicht absehbar. Als der BVB sich im Herbst 2022 durch ein Jammertal von Ergebnissen nörgelte, war der Sommerneuzugang ein Hauptziel der Kritik.

Aus Leistungszwergen werden Mentalitätsgiganten

Wenig sprach damals dafür, dass der 21-Jährige sich im Westfalenstadion noch einmal heimisch fühlen würde. Was „The Independent“ nun als „kluge Personalpolitik“ bezeichnet, wurde auch an dieser Stelle in die Nähe eines nächsten Millionenflops gerückt. Von „Gehaltsgiganten und Leistungszwergen“ war hier noch vor rund einem Monat zu lesen. Doch was damals galt, zählt plötzlich nichts mehr.

Falsch war es dennoch nicht. Denn zu sehr haben sich die Verhältnisse verschoben. Die Ablöse von 30 Millionen Euro mag aus englischer Sicht „klug“ investiert sein, ist aus Dortmunder Sicht mit einem größeren Risiko verbunden. Ein Risiko, von dem im Januar noch nicht absehbar war, dass es sinnvoll getätigt wurde. Zu sehr Individualist war der gebürtige Münchener bis dahin.

Es ist jetzt auf einmal ein Risiko, das sich nicht nur mit diesem Lauf langsam auszahlt. Adeyemi ist wie verwandelt. Er nutzt sein Tempo nicht nur nach vorne, sondern arbeitet tief zurück und belohnt sich und seine Mannschaft mit Treffern wie diesem 1:0 gegen Chelsea. „Das war einfach Speed“, sagte der 19-jährige BVB-Kapitän Jude Bellingham bei BT Sports. „Es gibt einfach wenig Spieler, die ihn stoppen können. Er hatte keinen leichten Start bei uns, ist nicht wirklich in die Saison gekommen und jetzt fliegt er. Das ist großartig, weil er eine riesige Hilfe für die Mannschaft ist.“

Die Gelbe Wand hält Kobels Kasten sauber

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Der Auftakt eines großen Dortmunder Abends.

(Foto: picture alliance/dpa)

Mannschaft gegen Individualisten. Aufopferung gegen kopfloses Anrennen. Das waren Themen dieses ersten Achtelfinals zwischen dem BVB und Chelsea. „Es war ein schweres Spiel, am Ende mit einem glücklichen Sieg für uns, würde ich sagen. Aber was wir als Mannschaft gemacht haben, ist gekämpft“, sagte Emre Can, der ebenfalls seit dem Neustart der Bundesliga nicht mit mehr wiederzuerkennen ist. Er war der zweite große BVB-Held an diesem Abend. Seine Rettungstat nach einem Schuss von Kalidou Koulibaly in der 78. Minute bewahrte den BVB vor dem Ausgleich.

Nach einer ersten Halbzeit, die von den Zwischenraumschleichern Julian Brandt auf der einen und João Félix auf der anderen Seite dominiert wurde, investierte Chelsea in den zweiten 45 Minuten mehr in die Offensive. Sie drückten den BVB immer wieder gegen das Tor vor der Südtribüne. Doch die Gelbe Wand schob den Ball mit all ihrer Wucht immer wieder aus der Gefahrenzone. Vor dem Spiel beeindruckte sie mit ihrer Choreografie nicht nur den angereisten Chelsea-Eigentümer Todd Boehly, der begeistert Bilder machte und sich womöglich fragte, warum er sich Chelsea und nicht diesen Verein unter den Nagel gerissen hatte.

Die Südtribüne beeindruckte Boehly und die ganze Welt. Und wollte sich diesen Abend auch nicht nehmen lassen, als die Blues in der zweiten Halbzeit mit aller Macht auf das Tor drängte und dabei in Richtung Südtribüne anrannten. Natürlich klärte die Gelbe Wand den Ball nicht von der Linie, sondern Emre Can. Und natürlich hielt die Gelbe Wand auch sonst nicht die Null, sondern eben Gregor Kobel, der längst zu einem der stärksten Torhüter Europas herangewachsen ist. Und doch hielten auch die Fans auf der Südtribüne den Ball aus dem Tor. „Sie sind unser zwölfter Mann da draußen. Sie schüchtern die Gegner ein. Wir können das ausnutzen und in eine Atmosphäre umwandeln, die es jedem Gegner schwer macht“, sagte Bellingham.

Noch hat der BVB nichts erreicht

Adeyemi, Can und der seit Wochen in bestechender Form aufspielende Brandt sind drei der unwahrscheinlichen Protagonisten des Dortmunder Aufschwungs, den alternde Helden wie Marco Reus und Mats Hummels momentan von der Bank verfolgen. „Die kämpferische Leistung, das Engagement, der Zusammenhalt – dieses Symbol, wie Can noch einmal klärt, das war herausragend gut“, sagte Sportdirektor Sebastian Kehl und sprach von der richtigen „Mentalität“, die in Dortmund tatsächlich innerhalb eines Monats vom größten Feind zum größten Freund geworden ist. Mentalität, die sogar bei der Rudelbildung nach einem Foul des Mentalitätstransfers Julian Ryerson in den letzten Minuten des Spiels zu beobachten war, als die frustrierte Chelsea-Bank wild gestikulierend gegen eine Überzahl von Dortmunder Spielern agieren musste. Auch das war beim BVB nicht immer so.

Sieben Spiele, sieben Siege. Die Bilanz des Ballspielvereins im Jahr 2023 könnte nicht besser sein. Nur der FC Barcelona und Union Berlin haben bislang in diesem Kalenderjahr ebenfalls keine Federn lassen müssen. Am Sonntag dann erwarten die Dortmunder den schwermütigen Krisenklub Hertha BSC (17.30 Uhr/DAZN und im ntv.de-Liveticker). Danach dürfen sie kurz durchatmen. Doch noch einmal werden sie liefern müssen und die drei Punkte im heimischen Westfalenstadion behalten. Denn so wunderbar sich die Bilanz bis hierhin auch liest, bisher war sie nur dazu geeignet, den enttäuschenden Start in die Saison vergessen zu machen.

Anders jedoch als zu oft zuvor hat der BVB nun auch Optionen von der Bank und kann durchrotieren, ohne groß an Qualität zu verlieren. „Wir hoffen einfach, dass es nicht nur ein Knoten ist, der geplatzt ist, sondern dass es eine konstante Leistung von ihm ist. Denn dann wird er uns helfen, unsere Ziele zu erreichen“, sagte Terzic über den Torschützen Adeyemi. Eine Aussage, die so eins zu eins auf den gesamten Kader zu übertragen ist. Auch der erste Sieg gegen eine englische Mannschaft seit 2016 wird eine wertlose Statistik bleiben, wenn er nicht in drei Wochen an der Stamford Bridge bestätigt werden kann. Solange die Dortmunder jedoch derlei Zukunftssorgen plagen, sind sie auf einem guten Weg. „Es gab auch viele gute Sachen heute, das Beste ist vermutlich das Ergebnis“, sagte dann auch Terzic und machte nicht den Anschein, diesen am Ende hart erkämpften Sieg zu überschätzen.

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