Kommentatoren-Ikone Frank Buschmann verrät im Interview mit ntv.de, dass er dem Fußball möglicherweise doch nicht den Rücken kehrt. Ansonsten blickt er gespannt auf den Super Bowl, wo immer „verrückte Dinge“ passieren. Nur auf eine Sache hat Buschmann bei der „Protz-Show“ gar keine Lust.
ntv.de: Herr Buschmann, eigentlich soll dies ein Interview zum Super Bowl werden, aber zuletzt haben Sie sich auf Instagram zu Ihrer Zukunft als Fußballkommentator geäußert und sich dabei als „konsequent inkonsequenten“ bezeichnet.
Frank Buschmann: Ich muss da mal etwas klarstellen, was sehr in der Berichterstattung immer verkürzt dargestellt worden ist. Ja, ich hatte die Faxen dicke vom Fußball. Aber erst auf Nachfrage habe ich meinen Rückzug angekündigt. Das heißt jedoch nicht, dass ich persönlich etwas gegen jemanden aus meinem Arbeitsumfeld hatte. Man kann auch ein System kritisieren und trotzdem gerne darin arbeiten. Ich liebe Sport – und da zählt Fußball, vor allem die Konferenz-Übertragung dazu. Ich mache dem Fußball nicht den Vorwurf, kommerziell zu sein. Ich verdiene auch mein Geld damit. Mir geht es nur um den ehrlichen Umgang.
Also ist ein Rücktritt vom Rücktritt möglich?
Im Rahmen der Kinderübertragung, die wir bei Sky machen, habe ich gesehen, wie diese Kids die Fußballer angehimmelt haben. Wie sie auch auf mich und den Sportjournalismus geschaut haben. Da habe ich gespürt: Vielleicht muss ich mal aufhören, immer das große Ganze verbessern zu wollen. Deshalb schwanke ich derzeit noch, wie und ob ich ab Sommer 2023 weitermache. Das ist doch aber absolut menschlich.
Zum Super Bowl, bei dem voraussichtlich wieder zwei Millionen an deutschen Geräten zuschauen werden. Warum wird American Football immer beliebter bei uns?
In der Saison 2011 habe ich den ersten Super Bowl kommentiert. Wenn man sich die Entwicklung des Sports seitdem in Deutschland anschaut, ist das gigantisch. Das ist unter anderem ein Verdienst von Ran, wo man den großen NFL-Football greifbar gemacht hat. Immer mehr Leute realisieren jetzt, wie spannend diese Liga ist, wo bei nur 17 Spielen jede Partie zählt und nur eine Niederlage schon ganz böse wehtun kann. Football hat dazu etwas Fremdes, Mystisches. Dieses Knallharte. Das ist Schach mit Kühlschränken. Ein sehr feines, durchdachtes und hochkomplexes Spiel wird auf den ersten Blick darauf reduziert, dass Menschen ineinander krachen. Und wenn nun wieder mitten in der Nacht ein paar Millionen Menschen zugucken, ist das schon völlig verrückt.
Ein kurzzeitiger Hype nur möglicherweise?
Bei den jungen Leuten ist Football laut Meinungsumfragen schon fast Sportart Nummer eins. Ich glaube, wir sind noch nicht am Gipfel angelangt. Es geht noch weiter. Man kann noch eine größere Masse an Leuten erreichen, aber es kommt darauf an, wie Football in den kommenden Jahren bei RTL aufbereitet wird. Das Spiel muss im Mittelpunkt stehen und den Sport kannst du ja nicht verändern – wobei er dank Regeländerungen immer offensivfreundlicher wird.
Ist der Super Bowl das größte singuläre Sportereignis der Welt?
Absolut, ohne Wenn und Aber. Das ist ein komplettes Irrenhaus und eine Woche lang der größte Wahnsinn. Man kann sich das nicht vorstellen, bevor man es mal live vor Ort gesehen hat. Allein die Media-Days in den Tagen vor dem eigentlichen Spiel sind ein Affenzirkus. Ich erinnere mich an Marshawn Lynch von den Seattle Seahawks, der zu den obligatorischen Pressegesprächen einmal nicht erschienen ist und eine empfindliche Strafe aufgebrummt bekam. Bei nächsten Mal erschien er, aber sprach kein Wort. Da passieren verrückte Dinge. Beim Super Bowl handelt es sich um ein riesiges Event und um mitreden zu können, muss man ihn sich angeschaut haben.
Haben Sie ein persönliches Super-Bowl-Highlight?
Es ist immer geil, wenn du als Kommentator deine Box im Stadion betrittst. Da ist schon bei der Probe spannend, wenn noch kein Schwein im Stadion ist. Wenn es schließlich vor vollem Haus losgeht, setzt die Gänsehaut ein. Wer dann nicht angeknipst ist für vier Stunden, dem ist nicht mehr zu helfen.
Mein letzter Super Bowl war sportlich der spektakulärste: Das war in der Saison 2016, die Wahnsinnsaufholjagd nach einem 3:28 von den New England Patriots gegen die Atlanta Falcons. Der schönste war in New Orleans, wo die Leute den Sport wirklich geliebt und gelebt haben. Was da in den Tagen vor dem Super Bowl los war, werde ich nie vergessen. Das war eine einzige große Party.
Schauen Sie nun mit einer Träne im Auge zu, weil Sie nicht mehr vor Ort kommentieren?
Quatsch, ich gönne das den anderen, die kommentieren und freue mich für sie. Heute schaue ich mir das Spiel in aller Ruhe von zu Hause an. Manchmal gucke ich mittlerweile erst am nächsten Tag, ohne vorher irgendetwas mitzubekommen. Auf einem riesigen Bildschirm im Büro und zu einer vernünftigen Zeit.
Mal aus einem anderen Blickwinkel gefragt: Ist der Super Bowl nicht nur eine riesige Protz-Show?
(lacht) Absolut. Beim Super Bowl zählt das Motto: Zeig, was du hast. Da gilt nicht nur für die NFL, sondern auch für die Kommunen und die Ausrichterstadt. Und natürlich für die großen Unternehmen, die ihre Werbespots für viel Geld platzieren. Aber: Es ist eine große Protz-Show der erfolgreichsten Liga der Welt. Ohne alles gut zu finden, was die NFL macht – das, was sie macht, macht sie sehr professionell.
Hinzu kommt noch mehr patriotisches Gehabe als sonst bei Football-Spielen.
Das hat mich immer befremdet. Es ist eine Einstellungsfrage, aber ich brauche keine Kampfjets, die über das Stadion fliegen. Ich habe mich immer mit der Ausrichtung schwergetan, dass Vaterlandsliebe auch etwas mit dem Militär zu tun haben soll. Das hat aber überhaupt nichts mit der heutigen Zeit zu tun und ich bin auch keiner, der deswegen direkt ausrastet ist.
Ein Blick auf das Sportliche: Welches Team hat Sie diese Saison am meisten überzeugt?
Die Philadelphia Eagles. Und zwar aus einem einfachen Grund: Sie machen keine Fehler. Sie lassen keine Turnover zu. Dazu sind die Eagles extrem vielseitig, können laufen, können passen. Auch wenn Quarterback Jalen Hurts an der Schulter verletzt war, sah das in den letzten Spielen schon wieder sehr gut aus. Das habe ich vor der Saison so nicht erwartet.
Wer macht’s also im Super Bowl?
Für mich sind die Eagles der Favorit, auch weil auf der Gegenseite Quarterback Patrick Mahomes nicht bei hundert Prozent sein kann nach seiner Knöchelverletzung. Die Defensive-Line der Eagles wird ihm mächtig Probleme bereiten, wenn er nur bei 70 Prozent ist. Trotz der großen Qualität, die er hat. Allerdings besitzt Hurts noch nicht die Erfahrung der großen Spiele, die Mahomes schon mehrfach sammeln konnte. Und oft wird der Super Bowl zwischen den Ohren der Superstars entschieden.
Vor wenigen Tagen verkündete Tom Brady sein endgültiges Karriereende. Wird nun Mahomes der GOAT, der Greatest Of All Time, der Neuzeit?
Es ist immer schwierig zu vergleichen. Und ich glaube, die Ausgeglichenheit wird immer größer. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Quarterback noch mal so dominant wird wie Brady. Er hat ja sogar alle einzelnen Teams überholt: Die New England Patriots und die Pittsburgh Steelers haben jeweils sechs Titel, die meisten unter allen Mannschaften. Brady hat sieben.
Ob Mahomes solch ein Dominator werden kann? Er wird zumindest ein mitprägender Superstar der nächsten fünf bis acht Jahre. Aber wir dürfen nicht vergessen, wie jung die anderen Top-Quarterbacks alle sind. So oder so kommt ein spannendes und spektakuläres halbes Jahrzehnt auf uns zu. Vor allem auch, weil wir mit Amon-Ra St. Brown nun einen deutschen Receiver in der Liga haben, der in dieser Saison über 1100 Yards gefangen hat.
Mit Frank Buschmann sprach David Bedürftig








