Die Australian Open 2022 werden von dem Skandal und der Ausweisung des Tennis-Superstars Novak Djokovic überschattet. Ein Jahr danach ist der Serbe zurück und ein Land verliebt sich neu in den Rekordsieger des „Happy Slam“ in Melbourne. Auch sportlich könnte es kaum besser laufen.
Da ging er nun durch den Spielertunnel. Auf dem Weg nach draußen in die Rod Laver Arena muss man an allen Legenden des Sports vorbei, die dieses Turnier schon gewonnen haben. Jeder der Sieger wird in diesem Spielertunnel gewürdigt. Ken Rosewall, Stefan Edberg, Jim Courier, Andre Agassi – natürlich auch Boris Becker. Djokovic hatte seine Tasche geschultert, schaute noch mal zurück zu seinem Gegner an diesem Abend, Nick Kyrgios, lächelte und ging dann unter tosendem Applaus in die Arena, deren Größter er ist. Neunmal hat er den Titel gewonnen, so häufig wie niemand Anderer bei den Männern.
Warmer Empfang vom Moderator, ein paar Späße über das kommende Match. Dann erinnerte der Serbe noch einmal daran, dass die Erlöse aus den Ticketverkäufen an einen guten Zweck gehen. Die Zuschauerinnen und Zuschauer hatten ihn auf das Wärmste willkommen geheißen, sich, so schien es, beinahe neu in ihn verliebt. Nichts erinnerte an die Situation vor einem Jahr, als Djokovic des Landes verwiesen worden war. Als Australien, das während der Pandemie die längsten Lockdowns weltweit zu verkraften hatte, nicht einsah, dass da jemand größer sein solle als die Regeln, die zu diesem Zeitpunkt aufgestellt worden waren.
Trainingsmatch in 58 Minuten ausverkauft
Ein Jahr ist seitdem vergangen. Ein Jahr, in dem viel passiert ist. Corona hat in Australien im Laufe von 2022 viel von seinem Schrecken eingebüßt. Klar, die Nachrichten aus China werden mit Argwohn beobachtet, aber ansonsten ist auch hier am anderen Ende der Welt die Normalität eingekehrt. Es gibt keine Maskenpflicht mehr, bei der Einreise müssen keine Impfdokumente mehr vorgezeigt werden. Das dreijährige Einreiseverbot gegen den Serben wurde im Laufe des Jahres aufgehoben. Craig Tiley, der Boss von Tennis Australia, verkündete bei einer Pressekonferenz kurz vor dem Start des ersten Grand Slams, dass es keine verpflichtenden Corona-Tests mehr gebe. Wer sich nicht wohlfühle, solle zu Hause bleiben, er könne aber nicht ausschließen, dass auch Athleten zu ihren Matches antreten, die Corona positiv sind.
Vergeben und vergessen all das Drama des Vorjahres. Djokovics Erleichterung über den wohlwollenden Empfang war ihm in jeder Sekunde anzusehen. „Ich war sehr emotional, als ich auf den Platz kam. Ich wusste nach den Ereignissen letztes Jahr nicht, wie der Empfang werden würde. Ich bin sehr dankbar dafür“, sagte er später auf einer Pressekonferenz.
58 Minuten. So lange hatte es gedauert, bis die Tickets für das Trainingsmatch zwischen Djokovic und Nick Kyrgios vergriffen waren. 20 australische Dollar, ca. 13 Euro, kosteten die Tickets, die Erlöse gingen an die Australian Tennis Foundation. Das Match wurde als „The Arena Showdown“ angekündigt, was angesichts des Stellenwerts dieses Aufeinandertreffens als leichte Übertreibung dargestellt werden kann. Djokovic gab sich betont lässig und humorvoll, wenngleich auch das Leichte bei ihm immer ein bisschen angestrengt aussieht.
Nur eine kleine Verletzung bereit Sorgen


Djokovic und seine Fans.
(Foto: IMAGO/ZUMA Wire)
Dabei darf sein Start ins neue Tennisjahr als gelungen bezeichnet werden. Niemand hatte bemerkt, dass er in Australien ist. Niemand hatte die alten Geschichten auf den Tisch gelegt. Er war Ende Dezember nach Australien eingereist. Ohne Ankündigung. Er war einfach irgendwann da. Die ersten Bilder waren die eines trainierenden Djokovic beim Turnier in Adelaide.
Dort gab er Autogramme, machte bereitwillig Selfies und die Bilder des neuen Djokovic fanden ihren Weg in die Sozialen Medien. Sportlich gibt es ohnehin kaum Fragezeichen beim Serben. Sein einziges Vorbereitungsturnier, das in Adelaide, gewann er mit teils brillantem Spiel. Sorgen hatte ihm in den letzten sieben Tagen nur sein Oberschenkel gemacht. Im Halbfinale gegen den Russen Daniil Medvedev hatte er sich leicht verletzt. In Melbourne musste er bei der Vorbereitung ein Training abbrechen. Doch das sei kein Thema mehr, wie er versicherte. „Ich konnte trainieren, Trainingssätze spielen, deswegen hoffe ich nicht, dass das eine große Sorge sein wird.“ Auch wenn er vorsichtiger im Training sein musste.
Australian Open hoffen auf einen Neustart
Wie der Empfang bei seinem ersten Match am Dienstag sein wird, ist zwar noch nicht sicher, doch prominente Hilfe erfährt Djokovic von Craig Tiley. Der hatte angekündigt, dass es zwar keine „Boo Policy“ geben würde, aber wenn missmutige Zuschauer den Spaß der anderen stören würden, wären sie draußen. Wie das in der Praxis aussehen wird, bleibt spannend.
Tiley, der im letzten Jahr selbst keine gute Figur gemacht hatte, möchte nichts dem Zufall überlassen. Die Australian Open sollen wieder der „Happy Slam“ sein. Vergessen möchte man die letzten beiden Jahre, in denen eine Austragung nur unter größten Mühen möglich war. 2023 soll der Beginn einer neuen Erzählung werden, eine, in der Djokovic die Hauptrolle spielen könnte. „Ich freue mich sehr darauf, vor den Leuten zu spielen und ihnen hoffentlich viel Spaß zu bereiten und gute Stimmung zu bringen“, sagte der Serbe: „Wenn ich weiter Groll hegen würde, wäre ich wahrscheinlich nicht in der Lage weiterzumachen, dann wäre ich jetzt nicht hier.“
Dass das erste Grand Slam des Jahres das Ende der Saga um den ungeimpften Novak Djokovic ist, bedeutet das aber noch lange nicht. Die USA haben erst vor wenigen Tagen die Frist auf April verlängert, in der man nur geimpft ins Land einfliegen darf. Djokovic wird also bei den beiden größten Turnieren außerhalb der Grand Slams in Indian Wells und Miami aller Voraussicht nicht antreten dürfen. Die Australian Open stehen dieses Jahr unter dem Motto „The story starts here“, die Geschichte beginnt hier – wie passend.








