Überhaupt erst zwei Podestplätze stehen für die deutschen Skispringer im laufenden Weltcup-Winter in der Statistik, als der Springertross nach Lake Placid reist. Dort gelingt Andreas Wellinger der erste deutsche Sieg seit langer Zeit – weil der Olympiasieger im zweiten Durchgang allen davonspringt.
Andreas Wellinger hat den deutschen Skispringern den ersten Weltcupsieg des Winters beschert. Der 27-Jährige sprang in Lake Placid in den USA 129 und 125,5 Meter weit und gewann damit vor dem Japaner Ryoyu Kobayashi. Für Wellinger war es der vierte Einzel-Weltcupsieg der Karriere und der erste Podestplatz in einem Einzel-Weltcup seit November 2018. Dritter wurde der Österreicher Daniel Tschofenig.
Karl Geiger wurde an seinem 30. Geburtstag Achter und war damit der zweitbeste Deutsche. Markus Eisenbichler erreichte anderthalb Wochen vor dem Start der Weltmeisterschaften im slowenischen Planica mit seinem zehnten Platz ebenfalls noch ein ordentliches Resultat. Mit seinem Sprung auf 136 Meter im ersten Durchgang stellte Kobayashi einen Schanzenrekord auf. „Unglaublich, was heute passiert ist. Ich kann es noch gar nicht so richtig in Worte fassen, weil ich einfach überglücklich bin und das erstmal realisieren muss“, sagte Wellinger. „Ich habe brutal gekämpft die letzten Wochen, die letzten Monate, die letzten Jahre.“
Ein Kreuzbandriss im Juni 2019 warf ihn sportlich sehr lange aus der Bahn. Wellinger rutschte zeitweise aus dem Weltcup-Team und wurde für die Winterspiele 2022 in China nicht nominiert. Zuletzt hatte er seine Klasse früherer Tage bereits immer mal wieder aufblitzen lassen. Zum richtigen Durchbruch hatte es aber nicht gereicht. „Dass der Sprung aufs Podest gleich wieder der erste Platz ist, fühlt sich einfach so geil an“, sagte Wellinger.
Granerud verpasst Rekord
Wellinger, der 2014 in Sotschi auf der Normalschanze und mit der Mannschaft zwei Goldmedaillen geholt hatte, lag nach dem ersten Durchgang nach einem kleinen Fehler beim Absprung noch nur auf dem fünften Platz – doch mit einem starken zweiten Sprung ließ der Gewinner der Qualifikation völlig überraschend doch noch alle anderen hinter sich. Halvor Egner Granerud und Dawid Kubacki, die Überspringer des Winters, hatten auf der Olympiaanlage von 1932 und 1980 mit dem Sieg schon nach dem ersten Durchgang windbedingt nichts zu tun. Granerud verpasste mit seinem 7. Platz die Einstellung des Rekords von Janne Ahonnen gewesen. Der Finne hatte einst 13 Podestplätze in Serie ersprungen.
Für die deutsche Mannschaft, die im laufenden Weltcupwinter überhaupt erst zwei Podestplätze erreicht und bei der Vierschanzentournee ihr schlechtestes Ergebnis seit vielen Jahren produziert hatte, war der Sieg Wellingers der erste Weltcupsieg seit dem 23. Januar 2022: Damals gewann Geiger zwei aufeinanderfolgende Springen in Titisee-Neustadt.
Schon zuletzt hatten die deutschen Springer gezeigt, dass sie wenigstens wieder den Anschluss an die Weltspitze hergestellt hatten: Wenige Wochen nachdem es zum ersten Mal in diesem Jahrtausend kein DSV-Springer unter die besten Zehn bei der Vierschanzentournee schaffte, waren beim jüngsten Weltcupspringen in Willingen mit Geiger (5.), Philipp Raimund (9.) und Wellinger (10.) wieder drei Deutsche in die Top10 gesprungen. Wellinger hatte zuvor schon beim Skifliegen am Kulm in Bad Mitterndorf als Vierter überzeugt.
Auch der einstige deutsche Vorzeigespringer Karl Geiger selbst stabilisiert sich so langsam wieder. Nach einem fünften Platz am vergangenen Wochenende in Willingen zeigte er auch in Lake Placid mit Sprüngen auf 127,5 und 120,5 Meter einen leichten Aufwärtstrend. „Es war ein richtig schöner Skisprungtag“, sagte der Oberstdorfer. „Es hat mega Spaß gemacht.“
Mit dem starken Auftakt in Lake Placid – am Abend folgt noch ein Teamspringen – schürten die DSV-Springer auch die Hoffnung auf eine mindestens versöhnliche WM zum Abschluss einer komplizierten Saison: „Wie ich das Team kenne“, hatte Skisprung-Legende Martin Schmitt im Interview mit ntv.de nach der Vierschanzentournee orakelt, „werden sie einen Schritt näher kommen an die Weltspitze. Und dann sollte auch mindestens eine Medaille rausspringen.“








